TY - JOUR AU - Preuß, Ulrich K. PY - 1985/12/01 Y2 - 2024/03/29 TI - Aktuelle Probleme einer linken Verfassungstheorie JF - PROKLA. Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft JA - PROKLA VL - 15 IS - 61 SE - Artikel des Heftschwerpunkts DO - 10.32387/prokla.v15i61.1393 UR - https://www.prokla.de/index.php/PROKLA/article/view/1393 SP - 65-79 AB - <p>Nimmt man den Titel dieser Skizze beim Wort, so verspricht er zu viel. In Wirklichkeit gibt es nur ein aktuelles Problem einer linken Verfassungstheorie, nämlich das, überhaupt erst das Gerüst für eine solche Theorie zu schaffen. Der Marxismus hat keine Tradition einer Verfassungstheorie entwickelt, weil nach ihm das Konzept des Verfassungsstaates oder einer rechtlich verfaßten politischen Gesellschaft nichts anderes als die Frucht der bürgerlichen Gesellschafts-und politischen Theorie darstellt. Selbst für Lassalle war die Verfassung lediglich der Inbegriff der tatsächlichen Machtverhältnisse, und nach der marxistischen Theorie war sie nur die gleichgültige Form für den bürgerlichen Klassencharakter des abstrakten Staates. „Der Streit zwischen Monarchie und Republik« - immerhin doch eine der zentralen Fragen der politischen Kämpfe des 19. Jahrhunderts in Deutschland- ,,ist selbst noch ein Streit innerhalb des abstrakten Staates«, schreibt Marx in der Kritik des Hegelschen Staatsrechtes und fügt den erstaunlichen Satz hinzu: »Das Eigentum etc., kurz der ganze Inhalt des Rechts und des Staates, ist mit wenigen Modifikationen in Nordamerika dasselbe wie in Preußen. Dort ist also die Republik eine bloße Staatsform wie hier die Monarchie«. Das war und ist gewiß nicht falsch, aber betrachtet man sich nur den breiten Strom der Auswanderer, die wegen dieses winzigen Unterschieds zwischen Nordamerika und Preußen ihre Heimat verließen, um sich jenseits des Ozeans ein neues Leben aufzubauen, so bekommt man vielleicht eine Ahnung von der Unzulänglichkeit einer Theorie, die sich von ihren Prämissen her nicht sonderlich für das interessierte, was durchaus nicht nur bürgerliche Ideologen fast ein ganzes Jahrhundert bewegte.</p> ER -