Bd. 44 Nr. 174 (2014): Materialistischer Feminismus

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Seit einigen Jahren lässt sich beobachten, dass vielfach ein Kulturkampf um das Geschlecht stattfindet. Dieser betrifft unter anderem heterosexuelle Männer, gleichgeschlechtliche Paare und Transgender. Auch feministisch bewegte Frauen sind in besonderer Weise betroffen, denn sie haben seit den 1960er Jahren in der Zweiten Frauenbewegung gegen die sie betreffenden Praktiken der Herrschaft, also gegen die spezifischen Formen der vergeschlechtlichenden Unterwerfung und herrschaftlichen Erzeugung ihrer Subjektivität gekämpft, gegen die moralische, medizinische, staatliche Kontrolle ihres Körpers, den Sexismus oder die Ausbeutung in den Familien oder am Arbeitsplatz. Der Kulturkampf richtet sich in vielerlei Hinsicht gegen diese Emanzipation. Anders Breivik gab als einen der Gründe für sein Massaker unter norwegischen jungen Sozialist_innen an, dass seine Aktion auch eine gegen Feminismus und „Genderismus“ gerichtete sein sollte. Frauen haben in Italien gegen ihre Entwürdigung demonstriert, dass sie von den Vertretern des Staates selbst zu Sexualobjekten erniedrigt werden, in Spanien kämpfen sie darum, dass eine vergleichsweise liberale Abtreibungsregelung von der konservativen Regierung nicht verschärft wird. In Polen lehnt der Klerus eine Entschädigung der Opfer der priesterlichen Missbrauchspraktiken mit der abstrusen Konstruktion ab, wonach eigentlich der Genderismus Ursache dafür gewesen sei, dass die Jugendlichen es den Priestern leicht gemacht hätten. In der Schweiz werden feministische und Gendertheorien von überregionalen Zeitungen und konservativen Politiker_innen als Irrlehren betrachtet. In diesem Zusammenhang stehen auch Auseinandersetzungen um die Frage der Sexualaufklärung von Jugendlichen in Deutschland und der Schweiz. Entgegen den Versuchen der Normalisierung, derzufolge die Frauen doch heute gleich gestellt seien, müssen Frauen erfahren, dass sie im Haushalt weiterhin mehr arbeiten, ihre Doppelbelastung höher ist und dass ihre Einkommen und Karrierechancen schlechter sind als die von Männern. Weiterhin werden viele Frauen, aber vor allem auch junge Mädchen, im privaten und öffentlichen Raum mit Belästigung, Abwertung bis hin zu sexualisierter Gewalt konfrontiert...

Veröffentlicht: 2014-03-01