Bd. 45 Nr. 179 (2015): Illusion und Macht des Geldes

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In Krisensituationen wird der gesellschaftliche Umgang mit Geld verstärkt zum Problem. So auch in der großen Krise, die sich seit 2007 ausgehend von den USA entwickelt hat und heute vor allem als Griechenland- und Eurokrise die öffentliche Diskussion bestimmt. Als die ersten Krisensymptome sich 2007 bemerkbar machten, stand die Geldpolitik im Zentrum der Bemühungen, die Krise einzudämmen. Der US-amerikanische Federal Reserve Board, die Europäische Zentralbank (EZB) und andere wichtige Zentralbanken schlossen Swap-Abkommen zur gegenseitigen Unterstützung ab, senkten die Zinsen praktisch auf null und pumpten in koordinierten Aktionen verstärkt Geld in das Bankensystem, um dem Zusammenbruch des Geldmarktes und des gesamten Finanzsystems in der westlichen Welt entgegenzuwirken. In den folgenden Jahren kam es zu einer sukzessiven Lockerung der Geldpolitik, die sich in einem drastischen Anstieg der Bilanzsumme der führenden Zentralbanken ausdrückte. Banken wurde nahezu unbegrenzt Geld zur Verfügung gestellt. Die Krise konnte durch die Geldpolitik alleine jedoch nicht überwunden werden. Bis heute ist die globale Konjunktur so labil, dass die führenden Zentralbanken vor einer Anhebung der Zinsen zurückschrecken, die aus der gegenwärtigen Stagnation eine erneute Rezession und De$ation machen könnte. Die Lockerung der Geldpolitik in der Krise ist keineswegs nur ein keynesianisches Konzept. Vielmehr sahen auch modernere Mainstream-Ökonomen (manchmal Neu- Keynesianer genannt) wie Ben Bernanke, der von 2006 bis 2014 Präsident des Federal Reserve Board war, darin das Mittel der Wahl, um die Krise zu bekämpfen. Nahezu völlig irrelevant für Zentralbanken wurde der hergebrachte Monetarismus, der eine exogene Steuerung der Geldmenge anstrebt und einen engen Zusammenhang zwischen Geldmenge und Inflation postuliert. Der Unterschied zwischen modernen Mainstream-Ökonomen und traditionellen Keynesianern besteht allerdings darin, dass erstere in der Geldpolitik gleichsam ein Allheilmittel sehen, während Keynesianer – zu Recht – auf ihre Grenzen hinweisen und auch für "skalpolitische Maßnahmen plädieren, um der Krise entgegenzuwirken. Aus marxistischer Perspektive überschätzen freilich beide Schulen die Möglichkeiten wirtschaftspolitischer Maßnahmen.

Veröffentlicht: 2015-06-01