Bd. 43 Nr. 171 (2013): Demokratie und Herrschaft, Parlamentarismus und Parteien

					Ansehen Bd. 43 Nr. 171 (2013): Demokratie und Herrschaft, Parlamentarismus und Parteien

Die große Krise hat erneut vor Augen geführt, wie prekär die Einrichtungen der parlamentarischen Demokratie angesichts einer mächtigen, global wirksamen kapitalistischen Dynamik sind. Sie selbst ist in der Krise. Regierungen werden auf Druck der EU und der Troika abgesetzt und durch Expertenregierungen ersetzt. Dem bundesdeutschen Parlament, das ohnehin viele Maßnahmen zur Bewältigung der Krise nur abnicken durfte, wurde von Bundeskanzlerin Merkel bescheinigt, dass es sich marktkonform zu verhalten habe. Die Krise hat nicht zu einer völligen Außerkraftsetzung der parlamentarischen Verfahren geführt, aber sie stark relativiert. Das gilt auf ganze andere Weise auch für den Prozess der europäischen Integration. Sie schwächt die Bedeutung der nationalstaatlichen demokratischen Institutionen, hat aber bislang kaum nennenswerten Ersatz dafür geboten. So stellt sich der Eindruck ein, dass eine Allianz von nationalen und europäischen Bürokraten in engem Kontakt mit den Unternehmensverbänden das Schicksal der EU bestimmt. Solche für die Demokratie tatsächlich bedrohlichen Phänomene sollten nicht den Blick dafür verstellen, dass schon seit langem eine Erosion und Krise der Demokratie konstatiert wird. In der linken Diskussion stehen dafür die Namen Agnoli, Poulantzas, Hirsch und in jüngster Zeit Crouchs Diagnose von der Postdemokratie. Viele dieser Diagnosen lassen ein Unbehagen zurück. Zwar wurde immer wieder und mit plausiblen Argumenten auf Krisendynamiken und Erosionsprozesse hingewiesen. Das erweckt manchmal den Eindruck, dass in einer früheren Phase die parlamentarische Demokratie intakt war. Aber Zweifel sind angebracht. Gleichzeitig erwiesen sich in den vergangenen Jahrzehnten die parlamentarischen Institutionen als erstaunlich stabil. Sie erwiesen sich als stark genug, die Vertretungen von sozialen Bewegungen wie Grüne oder Linke aufzunehmen und sich auf diese Weise sogar zu erneuern. Daraus ergeben sich Fragen danach, wie Krisen der Demokratie näher zu bestimmen sind. Wann kann man überhaupt von einer Krise der Demokratie sprechen? Was genau bedeuten die Krisenmomente innerhalb der parlamentarisch verfassten Politik? Kann es einen kontinuierlichen Abbau der Demokratie geben? In welchem Sinn kann davon gesprochen werden, dass die demokratischen Institutionen zu einem früheren Zeitpunkt nicht krisenhaft waren?

Veröffentlicht: 2013-06-01